Freiwilliger Arbeitseinsatz auf einem Bergbauernhof
16 Kühe, 10 Hühner, 3 ladinische Familienmitglieder und ein atemberaubender Blick auf die Gardenaccia Hochfläche - lange habe ich davon gesprochen und in diesem Jahr endlich Nägel mit Köpfen gemacht:
ein freiwilliger Arbeitseinsatz auf einem Südtiroler Bergbauernhof.
Dass mich keine Bergromantik erwarten würde und es knallharte Arbeit wird, wusste ich. Neugierig und auch ein bisserl aufgeregt, was mich denn dann tatsächlich erwarten würde, startete ich also Richtung Gadertal….
Die Lage des Hofs beeindruckend – ein weitläufiger Blick auf den Naturpark Puez Geisler und die Gardenaccia Hochfläche, die ich bei zahlreichen Wanderungen dort ja schon ausgiebig erkunden durfte. Nun also sollte ich jeden Tag auf diese atemberaubende Gegend schauen… Um das vertraute Gebiet war ich ganz froh, denn alles andere, was mich hier erwartete, war neu - jeder Handgriff, jedes Tier, jeder Ablauf. So wurde ich gleich am ersten Tag vom Bauern Markus und der Altbäuerin Paula sorgfältig eingewiesen in die verschiedenen Tätigkeiten, die mich hier erwarteten: misten, einstreuen, Milchfassl reinigen, Hühnerstall in Schuss bringen, wo finde ich Heu und Gras und wohin damit, Kühe striegeln und noch vieles mehr. Die Kühe hab ich sofort ins Herz geschlossen, die Hühner – naja, so richtig Freunde wurden wir nie...
An den folgenden Tagen ging es auch gleich hinaus auf die Wiesen zur Heuernte. Der Umgang mit Rechen und Co war mir bereits vertraut (danke Elisabeth und Clemente!), das Ratschen während der Arbeit bzw. den Pausen hat total Spaß gemacht und die Brotzeit – hergerichtet von der Altbäuerin Paula – war jedes Mal ein Gaumenschmaus: Vinschgerl mit Bergkäse und saftigen Tomaten aus dem eigenen Garten, dazu selbstgemachter Johannisbeersaft. Die Wiesen, von flach mit atemberaubenden Ausblick bis so steil, dass ich ins Purzeln kam, war alles dabei. Die Sonne hat gebrannt (was ein Strohhut doch goldwert ist!) und mit ihr kam die Erkenntnis:
Heuarbeit ist 3 in 1 - Sauna, Solarium, Sportstudio. In erster Linie Sportstudio 😀 So vergingen die Tage wie im Flug, jeder davon bis an den Rand mit Arbeit gefüllt. Wenn es nicht zur Heuernte hinausging, gab es mit Sicherheit etwas im Garten oder im Haus zu tun. Einmal haben wir 12 kg Aprikosen gepflückt und dann zu Marmelade eingemacht, auch ins Tirtlan machen (eine ladinische Spezialität) wurde ich eingeweiht. Überhaupt hat mir die Altbäuerin Paula viele wertvolle Tipps gegeben - altes Wissen, was wohl so manchmal schon in Vergessenheit geraten ist. Wusstest du, dass Eierschalen oder Milch in der Gießkanne gut für die Blumen sind? Gegessen haben wir immer zusammen, abends nach dem Stall, mittags nach den Routinearbeiten. Es war schon faszinierend, so tief in das Leben einer traditionellen Bauernfamilie eintauchen zu dürfen. Nach dem Mittagsessen wurde auf und neben dem Ofen in der Stube gerastet, bevor es wieder an die Arbeit ging. Abends bin ich fast jedes Mal todmüde ins Bett gefallen. Gefühlt hab ich schon beim Ablegen des Kopfes auf das Kopfkissen tief und fest geschlummert…
Ein schönes Gefühl, körperlich müde zu sein - und nicht geistig :-) So habe ich hier unendlich viel gelernt und erlebt, nicht nur über Kühe und Aprikosen, Heu und Schnittlauch, sondern auch über mich. So manches habe ich neu überdacht und wurde mir hier erst klar. Dass z.B. hinter all der Milch viel Arbeit steckt, wusste ich, aber WIE viel Arbeit letztendlich dahintersteckt, wurde mir hier erst bewusst. Und ich werde in Zukunft. meinen Cappuccino oder mein Joghurt GANZ anders genießen! In der Yogalehre wird aus ethischen Gründen die vegetarische Ernährung empfohlen (Ahimsa = Gewaltlosigkeit) – ich finde es wichtig, dass das jeder wirklich für sich entscheidet und diese Entscheidung dann nicht bewertet wird. Ich selbst bin seit meinem 17. Lebensjahr Vegetarierin und ich habe auch – nach der Arbeit hier - meinen Milchproduktekonsum nun noch einmal überdacht - denn hinter all der Milch steckt ja schon auch immer ein gewisses Maß an „Leid“ (Kühe tragen ständig, Kälber werden früh getrennt von der Mutter, etc.).
Lissi (auf dem Bild) wurde meine Lieblingskuh, die war total verschmust, und jedes Mal im Stall verbrachten wir einige Minuten miteinander. Sie kälbert in diesem Jahr das erste Mal, leider hab ich es nicht mehr miterlebt.
Und natürlich war nicht alles rosig hier, sehr wohl gab es auch Momente, in denen ich gehadert habe oder körperlich einfach total k.o. war. Aber wie zu einer Wanderung gehört eben auch das dazu:
die Anstrengung, die einen letztendlich auf den "Gipfel" bringt bzw. der Weg dorthin. Der Weg ist das Ziel.
Diese ganze Zeit auf dem Bergbauernhof war auf jeden Fall wahnsinnig interessant und ich habe unglaublich viel gelernt.
Es tut so gut und ich finde es so bereichernd, sich immer wieder einmal auf´s Wesentliche zu reduzieren und ein EINFACHES Leben zu führen.
Ich habe das Gefühl, dass genau das der große Schatz ist, der in solchen Erlebnissen liegt (es erinnert mich an meine Tibet-Reise zum Kailash, auf der ich ähnliche Erkenntnisse hatte) und es fühlt sich auch an wie eine wohltuende Dusche/Läuterung für´s Ego.
Verzicht bereichert auf allen Ebenen.
Und schmunzeln musste ich auch, denn der Tagesablauf auf einem Bergbauernhof hat mich wirklich sehr erinnert an den in einem Yoga Ashram und ich finde sie sind sich wirklich sehr ähnlich:
So gibt es in einem Ashram jeden Tag zwei feste und unverrückbare Größen: der Satsang/die Meditation am Morgen und der Satsang/Meditation am Abend.
Genau so war es auch auf dem Bauernhof:
morgens und abends war der Kuhstall die feste und unverrückbare Größe.
Während im Ashram ein Swami einen Vortrag hält, erzählen dir die Kühe im Stall beim Melken ganz viele Weisheiten, wenn du bereit bist ihnen zuzuhören. Im Ashram lauschst du den Melodien des Kirtansingens, im Kuhstall hörst du das Geräusch der Melkmaschine, das durch das monotone Geräusch eine äußerst beruhigende Wirkung hat. Die stille Meditation im Ashram gleicht den immer gleichen Handgriffen beim Füttern – bewusst ausgeführt durchaus auch eine Art Meditation. Zwischen den festen Größen morgens und abends (Satsang/Kuhstall) liegen immer, je nach Wetter und Begebenheiten, die unterschiedlichsten Tätigkeiten – auf dem Hof waren es Heu machen, Garten, etc. – im Ashram sind es Asanas, Karma Yoga oder dergleichen.
Und das zeigt mir mal wieder: alles Yoga! Egal ob hier oder anderswo, auf das WIE kommt es an.
Wieder zuhause, damit der Wechsel in das "moderne Leben" nicht ganz so hart wird, habe ich mir einige Tage lang den Kaffee nur noch mit der Bialetti gemacht (so wie auf dem Bauernhof), habe meine Teekanne täglich mit einer Flaschenbürste geschrubbt (so ähnlich wie beim Milchfassl) und bin täglich an den Gemüsefeldern hier vor Ort in Regensburg vorbeigefahren, aus Sehnsucht nach dem Duft vom Südtiroler Gemüsegarten.
Mein Fazit aus diesen unvergesslichen Tagen:
- Demut und Dankbarkeit für den Platz, in den ich hineingeboren bin (das Land, die Familie, das soziale Gefüge, etc.). Als Bergbäuerin wäre ich vermutlich nie in Kontakt mit Yoga genkommen und das zeigt mir mal wieder: das Leben macht keine Fehler, wir können vertrauen
- Der Weg ist das Ziel! So wie es beim Wandern nicht darum geht, möglichst schnell den Gipfel zu erreichen, so geht es auch auf dem Bauernhof nicht darum, möglichst schnell fertig zu werden mit einer Tätigkeit (außer bei gemeldetem Regen und das Heu ist noch draußen 😉 ). Das würde dir auf Dauer schlichtweg das Genick brechen. Vielmehr geht es darum einen Schritt nach dem anderen zu tun, und immer mal wieder Pausen zu machen/innezuhalten.
- wie gut es tut, einen geregelten Tagesablauf zu haben mit festen Größen (egal ob Satsang oder Kuhstall) und mit den Händen/körperlich zu arbeiten (egal ob Unkraut jäten, misten oder Asanas)
- Träume soll man leben, nicht nur darüber reden! Die Erfahrung und Erkenntnisse die man dabei macht, sind unbezahlbar und es lohnt sich wirklich, Nägel mit Köpfen zu machen und ggf. den inneren Schweinehund oder Zweifel zu überwinden.
Ich möchte diese Zeit auf keinen Fall missen und ich kann wirklich jedem nur empfehlen, seine langgehegten (oder auch ganz frisch geschlüpften) Träume zu verwirklichen! Du wirst mit ziemlicher Sicherheit etwas anderes erleben, als du erwartest hast, aber es ist immer das Richtige! Zu guter Letzt möchte ich allen Bergbauern meinen allergrößten Respekt zollen, für ihre ehrliche und wertvolle Arbeit, die sie jeden Tag leisten und das wertvolle Gut, das sie damit erhalten.
DANKE VON HERZEN!
Hier geht es zu Bildern vom Bergbauernhof
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